»Verlässliche Kirche durch klare Botschaft!«

Geschichte der SELK ... im Zeitraffer

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Lutherrose - Symbol der lutherischen Kirche

Vor allem in Preußen, Sachsen, Hessen und Hannover sind zwischen 1817 und 1880 selbständige lutherische Minderheitskirchen entstanden. Anlass dazu war jeweils eine vom Staat eingeführte „Union“ (Vereinigung) von lutherischen und reformierten Kirchen, die zu einer „evangelischen Kirche“ vereinigt wurden. Im 20.Jahrhundert folgte man diesem Modell und strebte eine landesweite evangelische Einheitskirche an, woraus schließlich die „Evangelische Kirche in Deutschland“ (EKD) hervorging. Dies lehnten viele Lutheraner ab.

Hauptgrund dafür war ihre feste Überzeugung, dass Kirchenlehren, die einander ausschließen, in einer Kirche nicht gleiches Recht haben können. Das gilt z.B. für die unterschiedliche Lehre von Lutheranern und Reformierten über das Heilige Abendmahl. Es ging also darum, der lutherischen Kirche die Eigenständigkeit ihres Bekenntnisses und ihres Gottesdienstes zu sichern. Da beides in den nunmehr unierten Landeskirchen nicht mehr möglich war, wollten die Lutheraner die Selbständigkeit ihrer Verfassung (wieder) erringen.

Zur Entstehung solcher lutherischen Kirchen trug auch die bibelkritische Theologie bei, die sich von den staatlichen Universitäten her ausbreitete, jedoch von den bibeltreuen Gemeinden nicht akzeptiert werden konnte.
Ein dritter Anlass zu lutherischer Freikirchenbildung – ebenfalls im letzten Drittel des 19.Jahrhunderts – waren Übergriffe staatlicher Behörden auf angestammtes kirchliches Recht.

Die SELK ging 1972 aus dem Zusammenschluss bis dahin eigenständiger kleiner lutherischer Kirchen auf dem Gebiet der alten Bundesländer hervor. 1991 trat auch die Evangelisch-Lutherische (altlutherische) Kirche der früheren DDR der SELK bei. Damit sind fast alle konfessionell-lutherischen Minderheitskirchen in Deutschland zu einer Körperschaft vereinigt.

Heute zählt die SELK bundesweit ca. 36.000 Glieder in etwa 200 Gemeinden.

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Martin Luther als Prediger

Geschichte der Lutherischen Kirche in Deutschland

Die Reformation in Deutschland
Eine kleine Wanderung durch die Kirchengeschichte

„Reformkatholiken“ im 16. Jahrhundert

Im 16. Jahrhundert ging die äußere Einheit der mittelalterlichen katholischen Kirche in Deutschland und darüber hinaus verloren, wie sie seit der ersten christlichen Mission durch vor allem auch irische und schottische Missionare in Deutschland existierte.

Was war das Selbstverständnis der Reformatoren, die später „Lutheraner“ genannt wurden?
Sie verstanden sich als eine innerkatholische Reformbewegung, die die abendländische römisch-katholische Kirche wieder zu ihren Wurzeln und Quellen, nämlich der Heiligen Schrift und ihrem Herrn Jesus Christus, zurückrufen wollte.

Seit dem 13. und 14. Jahrhundert war der christliche Glaube immer stärker durch Aberglaube, halbheidnische Kulte, durch eine Verweltlichung der Kirche und ihrer Leiter, eine Verrechtlichung des theologischen Denkens überlagert und verdunkelt worden.

Anstelle der unverdienten Gnade und Barmherzigkeit Gottes wurde Sündenvergebung und Erlösung zunehmend zur Handelsware, die man durch gute Werke, Opfer und handfeste Geldzahlungen (Ablässe) „erwerben“ konnte. Die Zeit war reif für eine grundlegende Reformation, eine Erneuerung der Kirche auf den alten Fundamenten des katholischen und apostolischen Glaubens.

Das Bekenntnis von Augsburg

1530 legten die theologischen Lehrer dieser innerkatholischen Reformbewegung Kaiser Karl V. auf dem Reichstag von Augsburg ihr danach so genanntes „Augsburgisches Bekenntnis“ vor.
Dieses Grundbekenntnis war nicht die Gründungsurkunde einer neuen Kirche, sondern die Darstellung biblisch-katholischer Lehre und allgemeinen christlichen Glaubens. Im Abschluss des ersten Teils der insgesamt 28 Artikel heißt es ausdrücklich: „Weil nun diese Lehre in der Heiligen Schrift klar begründet ist und außerdem der allgemeinen katholischen, ja auch der römischen Kirche, soweit das aus den Schriften der Kirchenväter festzustellen ist, nicht widerspricht, meinen wir, dass unsere Gegner in den oben aufgeführten Artikeln mit uns nicht uneinig sein können.“

Bedauerlicherweise waren Papst und Kaiser nicht bereit, diese Glaubensartikel als Ausdruck des alten katholischen und christlichen Glaubens anzuerkennen und die erbetene Reform „an Haupt und Gliedern“ einzuleiten und durchzuführen. Statt dessen wurden die Anhänger der sich auf Luther berufenden innerkatholischen Reformbewegung exkommuniziert und damit gezwungen, ohne den Papst und seine Bischöfe eigene kirchliche Strukturen zu schaffen. So gab es im 16. Jahrhundert reformkatholische Altäre (also Kirchengemeinden) in Deutschland, die bald „lutherisch“ oder „evangelisch“ genannt wurden und päpstliche Altäre, denen die Reformkatholiken absprechen mussten, noch wahrhaft katholisch zu sein.

Ausbreitung der Reformation

In der Folgezeit entstanden in den kleinen deutschen Staaten, Fürsten- und Königtümern nunmehr eigenständige kirchliche Strukturen unter der eigentlich nur vorübergehend gedachten Oberaufsicht des jeweiligen Landesherren. Hieraus entwickelten sich dann jedoch schon bald die sogenannten Landeskirchen. In Deutschland waren diese Landeskirchen zumeist lutherisch. Aber es gab durchaus eine Beeinflussung durch die oberdeutsche und schweizerische Reformation unter Zwingli und Calvin, so dass auch sog. reformierte (calvinistische) Gemeinden entstanden.

Reformation in Lippe

Zum ersten lippischen Kontakt mit der lutherischen Lehre kam es vermutlich in Lemgo: schon 1518 – nur ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung – wurden Luthers 95 Thesen dort gelesen. In den Folgejahren näherte sich die Stadt dem lutherischen Bekenntnis immer weiter an.

So besuchten Lemgoer Bürger lutherische Gottesdienste in Herford; vor und nach der Messe wurden in Lemgo evangelische Lieder gesungen. Während einer Fastenzeit im Jahr 1527 aßen einige Lemgoer Bürger demonstrativ Fleisch. Im Jahr 1530 begann ein offener Konflikt mit dem Landesherrn: während der katholischen Ostermesse wurden evangelische Lieder gesungen. Simon V. war erbost und sprach von „aufrührerische[n] Bauern, welche keine Obrigkeit über sich dulden wollen“.

Ab 1532 breitete sich das lutherische Bekenntnis jedoch auch in den anderen Städten weiter aus. Als Simon V. 1533 Unterstützung für ein militärisches Eingreifen gegen Lemgo suchte, griff Philipp von Hessen vermittelnd ein. Im selben Jahr übernahm Lemgo die Braunschweiger Kirchenordnung und wurde damit auch offiziell evangelisch-lutherisch.

Der zweite Schritt der Reformation in Lippe, hin zum reformierten Bekenntnis, war das persönliche Werk Simons VI., eines der eindrucksvollsten und wirkmächtigsten Landesherren, die Lippe je hatte. Theologisch neigte Graf Simon VI. dem reformierten Bekenntnis zu, das sich zu seiner Zeit in der Pfalz, in Sachsen und auch im benachbarten Hessen ausbreitete. Auch in Lippe führte er nach und nach dieses Bekenntnis ein. „Die […] Methoden, mit denen der überall vorhandene Widerstand gebrochen wurde, waren gutes Zureden, Belehrung, Ermahnung, Entfernung aus dem Amt und Berufung reformierter Prediger.“ (Kittel) Als Datum für die Einführung des reformierten Bekenntnisses in Lippe wird allgemein das Jahr 1605 genannt, in dem Simon VI. zum ersten Mal das reformierte Abendmahl mit Wein und Brot (nicht mit Oblaten) einnahm. Simons Bemühungen scheiterten jedoch in der Stadt Lemgo, die am lutherischen Bekenntnis festhielt. Dies führte zu einem jahrelangen, sich auch noch unter Simons Nachfolgern hinziehenden, zermürbenden Konflikt, in dem die Stadt sogar ihre Geschütze gegen die landesherrliche Burg in Brake richtete. Erst 1617 wurden die Streitigkeiten im Röhrentruper Rezeß beigelegt: Lemgo blieb zunächst lutherisch.

Lutheraner und Reformierte (Calvinisten, Zwinglianer)

Das Augsburgische Bekenntnis von 1530, Luthers Katechismen und weitere Bekenntnisschriften, die im sogenannten Konkordienbuch 1580 gesammelt herausgegeben wurden, waren die Lehr- und Glaubensgrundlage der lutherischen Landeskirchen.

Sie unterscheiden sich von einigen zentralen calvinistischen Glaubensauffassungen in ganz erheblicher Weise. Das gilt für das Sakramentsverständnis, vor allem das Heilige Abendmahl, aber auch für die Christologie (Lehre von Christus), die Ekklesiologie (Lehre von der Kirche) und die Lehre vom Hirtenamt der Kirche.
Darum war es spätestens seit 1529 nach dem gescheiterten Einigungsversuch zwischen Luther und Zwingli beim sog. „Marburger Gespräch“ unausweichlich klar, dass es um der Eindeutigkeit der Wahrheit des Evangeliums willen keine Glaubens- und Bekenntnisgemeinschaft und darum auch keine Kirchengemeinschaft zwischen Lutheranern und zwinglianisch-calvinistischen Reformierten geben könne. „Ihr habt einen anderen Geist als wir“ – so trennte sich Luther in Marburg von Zwingli.

In den deutschen Staatsgebieten bestanden also lutherische und in einigen Regionen auch reformierte Landeskirchen nebeneinander auf demselben Territorium. Beide Kirchen hatten ihr eigenes Bekenntnis, ihre eigenen Gottesdienstformen und Strukturen. Gemeinsam war ihnen in vielen Fällen das nominelle Kirchenoberhaupt in Form des Landesherrn. So konnte es sein, dass ein lutherischer Fürst auch oberster Kirchenherr („Bischof“) einer reformierten Landeskirche war und umgekehrt.

Staatskirchentum und Union

Im 19. Jahrhundert war es vor allem der preußische König Friedrich Wilhelm III., der zum Teil aus persönlicher Frömmigkeit, zum Teil aus staatspolitischem Machtkalkül und vor allem ohne jedes Verständnis für die tiefgreifenden Bekenntnisunterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten die beiden Landeskirchen auf seinem Staatsgebiet zu einer protestantischen Einheitskirche vereinigen wollte. Da durch die Aufklärung (französische Revolution) und den bibelkritischen Rationalismus seiner Zeit auch viele Theologen und Christen in den Gemeinden kaum noch wussten, worin die Besonderheiten, Unterschiede und eben auch Unvereinbarkeiten zwischen lutherischem und calvinistischem Glauben bestanden, ließ sich diese Zwangsvereinigung zu einer sich seither „Evangelischen Kirche“ nennenden Unionskirche auch durchsetzen. Die unionistischen Bestrebungen sind seither flächendeckend auf fruchtbaren kirchlichen Boden gefallen.

Heute weiß im allgemeinen kaum jemand mehr den Unterschied zwischen reformiert und lutherisch zu benennen. Man verweist lediglich auf unterschiedliche Traditionen, ist froh, dieses „heiße Eisen“ nicht mehr anrühren zu müssen, und freut sich an der „Buntheit“ der Kirche. Glaubenswissen und Katechismus-Inhalte sind weitgehend aus dem Bewusstsein verloren. Kirche widmet sich vor allem ethischen Themen.
Da mag es kaum verwundern, dass der Weg der „lutherischen Bekenntniskirchen“ auf den ersten Blick eher seltsam anmutet. Mancher allerdings findet hier beglückt wieder, was er schmerzlich vermisst und längst verloren geglaubt hat.

Die SELK – einzige unionsfreie lutherische Kirche Deutschlands in kirchlicher Verbindlichkeit

Warum kann man mit Fug und Recht sagen, dass nicht nur die ausdrücklich sich als unierte Landeskirchen bezeichnenden Landeskirchen, sondern auch die sich selbst noch „lutherisch“ nennenden Gliedkirchen der „Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“ nicht mehr lutherisch sind, sondern uniert?
Seit 1945 formierten sich die bis dahin noch eigenständigen lutherischen, unierten und reformierten Landeskirchen in Deutschland in einer Reihe von Schritten zur heutigen EKD. Immer wieder wird behauptet, die EKD sei keine Kirche, sondern lediglich ein Kirchenbund konfessionell eigenständiger Kirchen. Das ist falsch. Inzwischen räumt die EKD auch in offiziellen Dokumenten ein, dass sie sich als „Kirche“ versteht und begreift. So kann man in einem EKD-Text lesen:

„Die EKD ist die erklärte und angemessen geordnete Gemeinschaft von konfessionsverschiedenen evangelischen Kirchen der Bundesrepublik Deutschland. […] Zwischen diesen Gliedkirchen besteht in der Gemeinschaft der EKD Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie die gegenseitige Anerkennung der Ämter. […] Maßnahmen, durch welche die EKD erst Kirche werden müsste, sind nicht nötig, da sie es im theologischen Sinne schon ist, denn Kirchengemeinschaft ist Kirche.“

Alle Gliedkirchen der EKD erkennen also die in anderen Gliedkirchen der EKD geltenden Glaubensbekenntnisse als gleichberechtigt an. Ein lutherischer Pfarrer in einer EKD-Gliedkirche darf die Inhalte des calvinistischen Heidelberger Katechismus nicht als Irrlehre verwerfen und muss auch bewusste und erklärte Reformierte zum Heiligen Abendmahl an seinem lutherischen Altar zulassen. Die EKD-Gliedkirchen haben volle Kirchengemeinschaft untereinander und erweisen sich darin als eine große Unionskirche.

Die nicht-unierten lutherischen Kirchen, wie die altlutherische Kirche im ehemaligen Preußen, die Evangelisch-Lutherische Freikirche in Sachsen, die freien lutherischen Kirchen in Niedersachsen und Hessen, schlossen sich 1972 zur heutigen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) zusammen. Nach der Wende kam die Evangelisch-Lutherische (altlutherische) Kirche in der DDR hinzu.

Die SELK ist daher heute in Deutschland die einzige lutherische Kirche in kirchlicher Verbindlichkeit.
Das heißt: Bekennende lutherische Christen, die Wert darauf legen, zu einer lutherischen Kirche zu gehören, die in ungebrochener Kontinuität sowohl zur alten katholischen Kirche des Abendlandes, als auch zur alten lutherischen Kirche der Reformationszeit bis 1830 steht, in der die Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche uneingeschränkt in Geltung stehen, haben ihre geistliche Heimat in der heutigen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche.