Gottesdienste im Lockdown - eine ERKLÄRUNG
Gottesdienste im Lockdown – eine Erklärung
Wie ist es zu verantworten, weiterhin Präsenz-Gottesdienste zu feiern, wo doch Kontakte derzeit in jeglicher Form nach Möglichkeit und unbedingt vermieden werden sollten?
Diese wichtige Frage ist zu beantworten, um allgemeinem Unverständnis und Ärgernis zu begegnen.
Vorweg: Uns ist die momentane Lage, die Not vieler Menschen und das Gefährdungspotential durch Kontakte bewusst. Wir handeln nicht leichtfertig, nicht sorglos oder ignorant. Durch die Feier der Gottesdienste soll niemand zu Schaden kommen!
Im Gegenteil: Gottesdienste helfen und heilen, trösten und stärken; sie geben Zuversicht und sind für das seelische Wohlergehen – für die „innere Daseinsfürsorge“ – unabdingbar.
Man kann es vergleichen mit dem Besuch beim Arzt. Niemand käme auf die Idee, Arztpraxen oder gar ganze Krankenhäuser zu schließen, obwohl man sich auch im Wartezimmer oder auf Station der Gefahr einer Ansteckung aussetzt. Freilich gibt es mittlerweile auch die Möglichkeit einer „online-Sprechstunde“. Aber wer wirklich Hilfe braucht, „muss“ zum Arzt.
Auch Kirche und Gemeinden haben vielerorts kreative (Not-)Lösungen erarbeitet und verlegen zahlreiche Angebote ins Internet. Dennoch ersetzt dies keinen Gottesdienst, die direkte Begegnung mit Jesus Christus, dem Arzt unseres Lebens. Gerade in Zeiten großer innerer und äußerer Not hat die Kirche den bleibenden Auftrag, Gottes Zuspruch, Trost, Vergebung, Halt, Geborgenheit, Freude und Frieden zu spenden. Der Gottesdienst ist der Ort, an dem der lebendige Gott uns begegnet, wo Er zu uns redet und uns mit sich und untereinander als Gemeinde verbindet, wo wir Ihm die Ehre geben und alles von Ihm erbitten und erwarten.
So verstanden ist Gottesdienst eben nicht „Brauchtum“ und „Tradition“. Wenn er das wäre, könnten (und sollten) wir in dieser Zeit in der Tat darauf verzichten! Es geht im Gottesdienst auch nicht um die Anregung religiöser Gefühle. Dazu kann man in der Tat auch eine Kerze ins Fenster stellen oder einen Waldspaziergang machen. Doch hier geschieht ja mehr:
Gottesdienste sind reales Heilsgeschehen – gerade angesichts großer Not. „Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“ Hier erfahren wir Gottes Hilfe und hier rufen wir Gott um Hilfe und Rettung an – für Volk und Land, für Verantwortungsträger und Notleidende und auch für uns selbst insbesondere im Blick auf unser irdisches Ende und die Ewigkeit.
Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen, was Gottesdienst in seinem Kern und Wesen ausmacht und für uns bedeutet, sind noch andere Aspekte wichtig:
- Es ist ein grundlegender Unterschied, ob jeder für sich die Entscheidung trifft, einen Gottesdienst aufzusuchen oder nicht, oder ob eine Kirche bzw. Gemeinde diese „Quelle des Heils“ verschließt. Anders gesagt: Jeder sollte nach seinem eigenen Wissen und Gewissen – besonders in der jetzigen Situation – entscheiden, ob er den Gottesdienst besucht.
- Wir setzen die uns von der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Politik in Land und Kreis (nach entsprechenden Gesprächen zwischen Kirche und Staatskanzlei in Düsseldorf) derzeit empfohlenen bzw. angeordneten ausgeweiteten Schutzmaßnahmen gewissenhaft um, u.a. durch stark reduzierte Teilnehmerzahl, Anmeldung und Sitzplatzanweisung, AHA-Regeln, Verzicht auf Gemeindegesang etc. Das „Restrisiko“ einer Infektion ist freilich nie völlig auszuschließen.
- Allerdings geht auch die wissenschaftliche Expertise davon aus, dass die Kirchen sehr verantwortungsbewusst mit der Situation umgehen und plädieren eben nicht für das Absagen von Gottesdiensten. So stellen Christoph Markschies, Präsident der Wissenschaftlichen Akademie Leopoldina, die Virologen Christian Drosten und RKI-Chef Lothar Wieler fest: „Die Kirchen gehören zu den Institutionen mit den klarsten Infektionsschutzregeln und haben sich am engsten mit der Regierung abgestimmt.“ (ZEIT, vom 10.12.20, S. 74 sowie https://www.evangelisch.de/inhalte/179568/09-12-2020/spagat-zwischen-infektionsschutz-und-besinnlichkeit).
- Die Empfehlungen der Ev. Landeskirche, auf Präsenzgottesdienste zu verzichten, erhöht neben dem ohnehin schon vorhandenen gesellschaftlichen Druck nun auch den „innerkirchlich-ökumenischen“. Die katholischen Bistümer wollen (bis jetzt) ihr Angebot an Präsenzgottesdiensten nicht einstellen. Wir sind somit nicht „ganz allein“, wenn wir auch in besonderem Maße im Fokus der Öffentlichkeit stehen und bei uns „nichts passieren darf“. Wir sind uns bewusst, dass zahlreiche Menschen unsere Sicht nicht teilen können und hoffen dennoch auf Verständnis.
Jesus Christus, der Herr und Heiland der Welt, schenke uns getröstete Herzen, Geborgenheit, Geduld und Achtsamkeit, Eintracht und Frieden.
Ullrich Volkmar, Pfr.
Talle, 18. Dezember 2020
(update 20.02.2021)